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von Hubertus Hofkirchner -- Vienna, 08 Jun 2018
In der schnelllebigen Welt des 21. Jahrhunderts benötigen CEOs und Strategie-Verantwortliche leistungsstarke Werkzeuge statt nur Bauchgefühl, um die Zukunft und künftige Trends vorherzusehen. Ohne ein bestmögliches Zukunftsbild fehlt für Strategieentwicklung, Geschäftspolitik und Entscheidungen über Innovationen das belastbare Fundament.
Ein relativ bekanntes Tool ist die Delphi-Methode, die in den 1950ern von der RAND Corporation entwickelt wurde. Neuer und noch weniger bekannt sind Prognosemärkte, die erstmals in in den 1990ern, also der Frühzeit des Internet, bei der Siemens AG in Wien und bei Hewlett-Packard in Kalifornien angewandt wurden,.
- Die Delphi-Methode bedient sich einer Gruppe von Experten, die in einem iterativen Befragungsprozess ihre Einschätzungen zu Zukunftsfragen abgeben. Die Teilnehmer machen Vorhersagen und kommentieren diese. Ein Moderator aggregiert daraus Feedback für die nächste Befragungsrunde. Dieser Prozess wird solange wiederholt, bis sich ein weitgehender Konsens über die Vorhersage ergibt.
- Prognosemärkte sind virtuelle Börsen im Internet, an denen Experten oder Power-Konsumenten über mögliche zukünftige Szenarien (“Possible Futures”) gemeinsam spekulieren. Dazu kaufen und verkaufen sie diese Szenarien und versuchen einander gegenseitig mit Argumenten von ihrer Meinung zu überzeugen. Sie erhalten durch den Marktkurs direkten Feedback (“Probable Futures”) über den aktuellen Gruppenkonsens, die Eintrittswahrscheinlichkeit einer möglichen Zukunft. Sobald sich die Kurse einpendeln, wird der Handel beendet.
Die Ähnlichkeiten
Beide Methoden aggregieren individuelle, subjektive Zukunftserwartungen in einen gemeinsamen Konsens; beide können online durchgeführt werden. Es ist weder notwendig sich zu treffen noch an einen gemeinsamen Ort zu reisen. Teilnehmer bleiben anonym, sie brauchen sich anderen Meinungen nicht aus Gründen der Hierarchie oder Eminenz zu unterwerfen.
Worin liegen also die wichtigsten Vorteile der digitalen Methode, warum reicht ein gutes altes Blatt Papier und Bleistift nicht?
Die Unterschiede
Trotz der vielen Gemeinsamkeiten gibt es große Unterschiede zwischen diesen Methoden, welche durchwegs für Prognosemärkte sprechen:
- Die Teilnehmer am Prognosemarkt werden für richtige Vorhersagen belohnt, nicht für ihre aufgewendete Zeit. Das motiviert sie, genauer und tiefgründiger über ihre Prognosen nachzudenken als mit der Delphi-Methode, welche dementsprechend oft für schwache Ergebnisse kritisiert wird.
- Prognosemärkte der zweiten Generation wie Prediki bieten eine integrierte Live-Debattenfunktion, die einen lebhaften Austausch von Argumenten und Ideen ermöglicht. Delphi ist rundenbasiert, was die Interaktivität und Kreativität der Teilnehmer einschränkt und häufig zu redundanten und weniger nützlichen Kommentaren führt.
- Das Feedback von Prognosemärkten ist authentisch, da die ureigensten Reaktionen der Teilnehmer gesammelt und durch einen neutralen Mechanismus aggregiert werden. Wohingegen sich die Delphi-Methode eines menschlichen Moderators bedienen muss, dessen Kompetenz und eigene Meinung den Runden-Feedback unweigerlich beeinflussen.
- Auf Prognosemärkten kann man die Entwicklung der Vorhersagen in Echtzeit beobachten. Unklarheiten können rasch erkannt und ausgeräumt werden. Neue Informationen werden sofort in den Marktkurs eingepreist.
- Die Rekrutierung von Teilnehmern ist für Prognosemärkte weitaus einfacher. Experten – sogenannte “Superforecasters” – können in Qualifikationsrunden aus bereits verfügbaren online Communities automatisch herausgefiltert werden. Hingegen müssen Delphi-Experten über einen langwierigen Ausleseprozess in mühsamer Handarbeit ausgewählt werden.
- Wie alle Märkte berücksichtigen Prognosemärkte auch wertvolle konträre Meinungen. Im ewigen Tauziehen der “Bullen” und “Bären” bietet frisches Denken besondere Chancen, während für die Delphi-Methode ein signifikantes Problem durch konformistische “Gruppendenke” dokumentiert ist (Woudenberg 1991).
Caveat
Es ist mir durchaus bewusst, dass die letzten Punkte unverhohlen einseitige Argumente für Prognosemärkte darstellen. Ich weiss.
Ich stehe aber nicht nur hinter der neuen Technologie weil hier Prediki ist. Aber es ist schlicht kein Vorteil mehr ersichtlich, den die Delphi-Methode auf den Tisch bringen könnte. Ausser vielleicht wenn PCs, Tablets oder Laptops nicht verfügbar sind.
Falls trotzdem jemand die Delphi-Methode verteidigen will, ist er herzlich eingeladen, unten in der Kommentarsektion allfällige Argumente anzuführen.
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